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Topförderung für Naturwissenschaftlerin

Die Molekularbiologin und Mathematikerin Anita Brandstätter, Universitätsassistentin am Institut für Gerichtliche Medizin, erhielt vor kurzem vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) ein Elise-Richter-Stipendium zugesprochen. Mit dem neuen Programm sollen Wissenschaftlerinnen für die Bewerbung um eine in- oder ausländische Professur qualifiziert werden.

Seit letztem Jahr gibt es – als Ergänzung zum Hertha-Firnberg-Stipendium, das weibliche Postdocs am Beginn ihrer wissenschaftlichen Karriere fördert – das Elise-Richter-Programm für Senior-Postdocs. Ziel dieses Programms ist die Qualifikation zur Bewerbung um eine in- oder ausländische Professur. Seit letztem Jahr finden für beide Programme zwei halbjährliche Ausschreibungs- und Entscheidungsrunden statt. Ende Juni erhielten neun Wissenschaftlerinnen das renommierte Elise-Richter-Stipendium zugesprochen, darunter auch Dipl.-Ing. Mag. Dr. Anita Brandstätter vom Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck. Die gebürtige Kärntnerin hat in Innsbruck Biologie und Mathematik studiert. 2003 schloss sie das Doktoratsstudium für Naturwissenschaften ab und 2005 das Diplomstudium der Technischen Mathematik. Seit 2001 arbeitet Anita Brandstätter als Universitätsassistentin an der von Prof. Richard Scheithauer geleiteten Innsbrucker Gerichtsmedizin.

Der genetischen Vielfalt der Menschheit auf der Spur

Der Schwerpunkt der Forschung von Anita Brandstätter liegt in der humanen mitochondrialen DNA (mtDNA). Das mitochondriale Erbgut liegt in jeder Zelle in hunderten Kopien vor, ist sehr stabil gegenüber Degradierung und wird nur über die Mutter vererbt. Dadurch eignet sich die mtDNA besonders für paläogenetische Analysen und für die Rekonstruktion der Evolutionsgeschichte des Menschen. In der forensischen Fallarbeit etablierte sich die mtDNA Analytik als technologischer Ausweg für Fälle, bei denen konventionelle Kern-DNA Marker keine oder nur unbefriedigende Ergebnisse liefern (z.B. bei Haarschäften, Knochen- und Zahnresten). Durch die stetig zunehmende Verfügbarkeit von mächtigen mitochondrialen Datensätzen wird eine detaillierte strukturelle Erfassung der genetischen Vielfalt der Menschheit ermöglicht, und es werden Einblicke in die demographische Geschichte des Menschen gewährt. Global gesehen reflektiert die beobachtete genetische Variabilität eine Einteilung der humanen Populationen in definierte Cluster, die ihrem kontinentalen Ursprung entsprechen. Diese Gruppen von evolutionär nahe verwandten mitochondrialen Linien werden als mitochondriale Haplogruppen bezeichnet.

Neue Verfahren für Forensik und Evolutionsforschung

Mit Hilfe des nun gewährten Stipendiums möchte Anita Brandstätter zwei neue Verfahren entwickeln, die in der forensischen Fallarbeit und beim Studium der humanen Evolution bei Untersuchungen von einer großen Anzahl an Proben und zur Feinauflösung der zweithäufigsten mitochondrialen Linie in Europa zum Einsatz kommen könnten. Die zwei neuen Multiplex-Systeme beruhen auf einer selektiven Abfrage von Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs) aus dem kodierenden Bereich der mitochondrialen DNA. Zum Einsatz kommen könnten diese beiden System zum Beispiel zum schnellen Ausschluss von Proben vor weiteren Untersuchungen oder zur Feststellung von Verwandtschaftsverhältnissen im Falle der Identifikation von vermissten Personen, auch wenn die DNA-Proben bereits stark degradiert sind oder nur mehr entfernte mütterliche Verwandte als Referenzen zur Verfügung stehen. Eines der beiden Systeme ermöglicht auch eine Feinauflösung der am zweithäufigsten vertretenen europäischen Haplogruppe, die nach standardmäßiger Sequenzierung der mitochondrialen Kontrollregion als sehr homogen erscheinen würde.

Als Molekularbiologin und Mathematikerin beschäftigt sich Anita Brandstätter auch mit biostatistischen Fragestellungen im klinischen wie auch medizinisch-theoretischen Bereich. Ihrem besonderen Interesse gelten dabei Anwendungen der Graphentheorie zur Rekonstruktion von evolutionären Artentstehungsprozessen im humanen und nicht-humanen Bereich.