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Hirnschäden nach Frühgeburten regenerieren

Die neonatale Hirnforschung befasst sich mit den neurologischen Problemen von Neu- und Frühgeborenen ab der 24. Schwangerschaftswoche. Diese winzigen Babys leiden später oft unter neurologischen Entwicklungsstörungen und Behinderungen. Dr. Matthias Keller von der Abteilung für Neu- und Frühgeborene der Innsbrucker Kinderklinik IV untersucht Möglichkeiten bereits entstandene Hirnschäden zu beheben.

Schäden wiedergutmachen

Die Schädigung der weißen Hirnsubstanz von Frühgeborenen, die periventrikuläre Leukomalazie (PVL), gehört zu den häufigsten Ursachen für neurologische Entwicklungsstörungen bei Frühgeborenen. Die Kinder entwickeln die PVL zwar nach der Geburt, die Ursache liegt aber meist in einer pränatalen Bedingung wie Sauerstoffmangel oder einer Entzündung. Da es derzeit keine kausalen Therapien gibt und auch nicht feststellbar ist, wann genau die Schädigung entsteht, sind der Schadensprävention enge Grenzen gesetzt. Deshalb konzentriert sich der Kliniker und Forscher Dr. Matthias Keller in seiner vom Swarovski-Fonds geförderten Forschung auf die Möglichkeit, bereits geschädigte Hirnsubstanz zu regenerieren. Dazu verabreichte sein Team im Mausmodell die Knochenmarkstammzellen stimulierenden Substanzen G-CSF (Granulozytenkolonie stimulierender Faktor) und SCF (Stammzellfaktor), um eine Steigerung der Stammzellfreisetzung zu bewirken. G-SCF und SCF waren bereits zuvor als Medikamente im Einsatz, allerdings in der Onkologie. Die Stimulierung der kindeigenen Stammzellenproduktion durch G-SCF und SCF erscheint beim Neugeborenen physiologischer als eine Therapie, bei der Stammzellen erst gezüchtet und dann ins Hirn injiziert werden. Bei der Stimulierungstherapie wird das Kind selbst in den eigenen Reparaturversuchen unterstützt.

Timing ist alles

Das menschliche Gehirn macht im letzten Drittel der Schwangerschaft und in den ersten Monaten nach der Geburt eine besonders intensive Wachstumsphase durch und ist besonders plastisch. Diese Eigenschaft unterscheidet es deutlich vom Gehirn eines Erwachsenen, weshalb Erkenntnisse über Hirnschäden an Erwachsenen nicht ohne weiteres auf Frühgeborene übertragbar sind. Im Mausmodell zeigte sich in einer Vorgängerstudie der Arbeitsgruppe, dass die Gabe von G-SCF und SCF in der Akutphase, also unmittelbar nach der Hirnschädigung, eine schädliche Wirkung auf das Gehirn hat, während sie einige Tage nach der Hirnschädigung verabreicht den Hirnschaden um ca. 30 - 50 % reduziert.

Die Regeneration von Nervenzellen ist jedoch nur eine Seite. Dr. Keller vergleicht sie mit dem Verlegen von Kabeln, einer wichtigen Voraussetzung für das Herstellen von Verbindungen. Jetzt will er untersuchen, ob die regenerierten Nervenzellen auch eine normale neurologische Funktion, also die Fähigkeit Verbindungen herzustellen, besitzen, und sich vergewissern, dass diese Behandlungsmethode der weiteren Hirnentwicklung nicht schadet. Die derzeitigen Erkenntnisse stimmen ihn optimistisch. Außerdem geht er der Frage nach, ob kindeigene Stammzellen, etwa aus der Nabelschnur, sowie speziell vorbereitete Zellen eine noch bessere Wirkung erzielen könnten.

Klein aber fein: das neonatologische Forschungslabor

Seit 2004 besteht an der Universität Innsbruck das Forschungslabor der klinischen Abteilung für Neonatologie unter Leitung von Univ. Prof. Dr. G. Simbruner. Den Forschungsschwerpunkt Hirnforschung bei Neugeborenen leitet Dr. Matthias Keller. In dieser Zeit hat er (unterstützt vom Team der Klinischen Abteilung für Neonatologie) mit engagierten MedizinstudentInnen, post docs aus China und einer MTA das Labor aufgebaut und Kooperationen im Inland (z.B. Zentrum für Neurowissenschaften, BIOCRATES Innsbruck) und Ausland (Oslo, Göteborg, Toronto) entwickelt. Auch pflegt er weiter die Verbindung mit dem international bekannten Pariser Neuropädiater und Neurowissenschaftler Pierre Gressens, bei dem er selbst gelernt hat. Die aktuelle Studie wird außer vom Swarovski Förderungsfonds auch von der Ungarisch-Österreichischen Vereinigung gefördert und ein ungarischer Mediziner der Semmelweißklinik in Budapest, Dr. Gergely Sarközy, arbeitet ebenfalls an dem Projekt mit.