search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

sindbad_portraet.jpg

Bildung begleiten: Turnusärztin engagiert sich als Mentorin

Wie eine große Schwester erlebt die 18-jährige Marwa ihre Mentorin Hager Taye. Die Jugendliche und die Jungärztin haben sich über das Mentoring-Programm Sindbad kennengelernt, bei dem junge Erwachsene Jugendliche ehrenamtlich ein Stück auf dem Bildungsweg begleiten, darunter Studierende und AbsolventInnen der Med Uni Innsbruck. So unterstützt die Turnusärztin ihre Mentee, die vor zwei Jahren nach Österreich kam, bei den herausfordernden Suche nach einem passenden Ausbildungsplatz.

Dass sich die beiden jungen Frauen gut verstehen, erkennt man auf den ersten Blick: Aufgeregt erzählt Marwa ihrer Mentorin von ihrem Schnupperpraktikum in einem Innsbrucker Altersheim. Hager Taye, derzeit Turnusärztin an der Notfallambulanz, hat sich gemeinsam mit der Jugendlichen auf diesen Moment gefreut: Bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz sind sie einen Schritt weitergekommen. Marwa kam vor knapp zwei Jahren aus Somalia nach Österreich, lernte Deutsch und möchte so bald wie möglich eine Ausbildung im Pflegebereich starten. Zwischen Fragen des Asylrechts, der Anerkennung von Schulabschlüssen und sprachlichen Anforderungen gibt es dabei viele Herausforderungen für die 18-Jährige. Mit ihrer Mentorin kann sie ihre beruflichen Wünsche und Sorgen besprechen, aber auch einfach unbeschwerte Freizeit erleben.

Zusammengebracht hat die beiden der Verein Sindbad, der jungen Menschen ehrenamtliche MentorInnen in der Zeit nach der Pflichtschule und bei der Jobsuche zur Seite stellt. „Ich war eigentlich die Mentorin von Marwas jüngerer Schwester, habe so Marwa kennen gelernt und gesehen, dass auch sie Hilfe brauchen würde“, erzählt Hager Taye, die für ihr Medizinstudium von Graz nach Innsbruck kam und hier ihre Turnusausbildung absolviert. Marwa schätzt an ihrer Mentorin vieles: „Für mich ist Hager als Ärztin ein Vorbild! Ich wollte immer schon im medizinischen Bereich arbeiten, genau sie kennenzulernen war riesiges Glück. Wir verstehen uns einfach sehr gut und können zusammen so toll quatschen!“

Marwa und Hager blicken, Rücken und Rücken stehend und mit verschränkten Armen, lächelnd in die Kamera

Die 18-jährige Marwa (l.) und Jungärztin Hager Taye sind ein (Mentoring-)Team

Individuelle Begleitung

Die Jungärztin unterstützt Marwa dabei, ihre beruflichen Möglichkeiten auszuloten und eine Ausbildungsstelle zu finden: „Marwa ist sehr motiviert, spricht gut Deutsch, will endlich eine Ausbildung beginnen,“ sagt die Mentorin über ihre Mentee. „Dass ich selbst auch muslimischen Hintergrund habe, hat mir den Umgang mit ihr bestimmt erleichtert. Und ich kann so auch Vorbild für sie und ihre Schwester sein“, ist sie überzeugt. Etwa einmal pro Woche haben sich die jungen Frauen getroffen, Bewerbungsunterlagen ausgefüllt, gemeinsam das Jugendcoaching besucht. „Ich hatte einfach Zeit für Marwa, konnte mit ihr in Ruhe alle Unterlagen durchgehen“, resümiert die junge Ärztin. „Ich denke, das ist das Wichtigste an diesem Programm, dass man auf die Jugendlichen individuell eingehen kann.“ Um ihre Mentee zu unterstützen, hat Hager Taye mit dem Arbeitsmarkt-Service genauso telefoniert wie mit der Wirtschaftskammer sowie einen „Crash-Kurs Asyl“ besucht. „Das alles war für mich Neuland“, erzählt sie. „Es gab immer wieder Rückschläge und widersprüchliche Angaben, zum Beispiel über nötige Sprachdiplome, aber Marwa gibt nicht auf!“ Jetzt möchte Marwa die Ausbildung zur Pflegeassistentin beginnen, sie denkt aber bereits über weitere Ausbildungsmöglichkeiten bis hin zur Krankenpflege nach.

Sindbad: Brücken bauen im Bildungssystem

Wie auch für Marwa können Ausbildung und Einstieg ins Berufsleben für Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund schwierig sein, umso mehr, wenn sie in ihrem Umfeld wenig Unterstützung erfahren. „Den Verein Sindbad gibt es, weil Bildung in Österreich nach wie vor stark vererbt wird, also die Bildungschancen und Bildungszugänge sehr stark vom sozioökonomischen Status und Bildungsniveau der Eltern abhängen“, erklärt Corinne Fürhapter, bei Sindbad zuständig für die Standortleitung Innsbruck. „Mit unserem Mentoring-Programm möchten wir uns für mehr Chancengerechtigkeit in Österreich einsetzen. Wir stellen den Jugendlichen jemanden beim Bildungsübergang nach der Pflichtschule zur Seite, sodass sie nicht so allein sind und es ihnen leichter möglich wird, einen höheren Bildungsabschluss zu erreichen.“ MentorInnen und Mentees machen sich gemeinsam Gedanken über die Zukunftsplanung und setzen konkrete Schritte im Ausbildungsweg.

Corinne Fürhapter sitzt auf einer Couch und lächelt in die Kamera

Bildungschancen werden in Österreich nach wie vor stark vererbt – der Verein Sindbad möchte die Bildungschancen von Jugendlichen mit 1:1-Mentoring fördern, erklärt Standortleiterin Corinne Fürhapter

Neue Perspektiven – für beide Seiten

Die Jugendlichen zwischen 13 und 19 Jahren melden sich für das Programm selbst an, der Kontakt entsteht über Schulen, Sprachschulen oder Vereine. „Die MentorInnen sind ehrenamtlich im Einsatz, wir stellen immer klar: Sie begleiten die Jugendlichen, müssen keine ExpertInnen sein. Wir stehen jederzeit als Unterstützung zur Verfügung“, erklärt Fürhapter. „Aber gerade wenn es zum Beispiel darum geht, offizielle Stellen wie das Jugendcoaching zu besuchen, haben Jugendliche öfter eine Hemmschwelle. Da hilft es, wenn die Mentorin oder der Mentor einfach dabei ist.“ Bei Sindbad gehe es um einen Austausch auf Augenhöhe, die MentorInnen würden so ihrerseits neue Lebenswelten kennenlernen, ergänzt Fürhapter. Auch mehrere Studierende und AbsolventInnen der Med Uni Innsbruck zwischen 20 und 35 Jahren sind derzeit als MentorInnen im Einsatz.

Taye und Fürhapter sitzend nebeneinander im Gespräch mit einer dritten nicht sichtbaren Person, Taye gestikuliert mit den Händen

Durch den Verein Sindbad bekommen die MentorInnen wie Hager Taye (l.) laufend Unterstützung: „Sie begleiten die Jugendlichen und müssen keine ExpertInnen sein“, betont Fürhapter (r.)

„Wie eine große Schwester“

Marwa kümmert sich häufig um ihre acht jüngeren Geschwister, bei den Treffen mit ihrer Mentorin Hager hingegen kann sie sich einmal als die kleine Schwester fühlen – oder wie jemand mit einer älteren Freundin. „Ich habe Hager meine Familie vorgestellt, wir gehen zusammen Kaffee trinken und haben viel Spaß, wenn wir uns sehen,“ erzählt die Jugendliche. „Man lernt sich bei diesem Programm privat kennen, erfährt etwas von den Hoffnungen und Träumen der jungen Leute“, ergänzt die Absolventin der Med Uni Innsbruck, die berufsbegleitend das Studium „Non-Profit-, Sozial- und Gesundheitsmanagement“ am MCI absolviert. „Man ist tatsächlich so etwas wie eine große Schwester oder ältere Freundin, keine Autorität wie die Eltern, man kann einfach mal auf die Jugendlichen eingehen.“ Schritt für Schritt will Marwa ihren Bildungsweg weitergehen, inzwischen mit einer neuen Mentorin an ihrer Seite. Mit Hager möchte sie – gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester – in Kontakt bleiben. Denn sie sind in den letzten Monaten ein gutes Team geworden.

Neue MentorInnen gesucht:

Im Herbst 2025 startet die nächste Staffel des Mentoring-Programms in Innsbruck. Für interessierte junge Erwachsene zwischen 20 und 35 Jahren bietet der Verein Sindbad Informationsveranstaltungen an: am Montag, 16. Juni und am Donnerstag, 24. Juli, jeweils um 19 Uhr. Ort: „Die Bäckerei“, Dreiheiligenstraße 21a, Innsbruck

 

Links:
Weitere Termine und Informationen über den Verein Sindbad
Bericht über den Verein Sindbad

 (16.06.2025, Text: P. Volgger, Bilder: MUI/D. Bullock)

 

Aktuell