search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

Wie man Suchtverhalten lernt

Was passiert im Gehirn, wenn Menschen süchtig werden? Grundlagenforscher der Psychiatrischen Universitätsklinik haben Antworten auf diese Frage gefunden und damit Wege zu neuen Therapieansätzen eröffnet. Nicht der Glücksbotenstoff Dopamin sondern der Lernbotenstoff Azetylcholin ist nach den Erkenntnissen der Innsbrucker Forscher entscheidend für das Aneignen von Suchtverhalten.

Ein Forscherteam der Abteilung für Neurochemie der Univ.-Klinik für Psychiatrie unter der Leitung von Ao.Prof. Gerald Zernig-Grubinger und Prof. Alois Saria hat mit Unterstützung des FWF und des D. Swarovski-Förderungsfonds untersucht, welche Neurotransmitter im zentralen „Suchtzentrum“ des Gehirns, dem Nucleus accumbens, uns „Geschmack“ an einem Suchtmittel finden lassen, wie wir also „Sucht erlernen“.

Nicht Dopamin, sondern Azetylcholin

„Unsere Experimente zeigen, dass der Lernbotenstoff Azetylcholin und nicht das als Glücksneurotransmitter gut bekannte und am meisten untersuchte Dopamin vermehrt freigesetzt wird, wenn Drogen für Versuchstiere interessant zu werden beginnen,“ so Prof. Zernig-Grubinger. „Damit führen unsere Ergebnisse zu einer wesentlichen Erweiterung des Dogmas, dass die Dopaminfreisetzung im Nucleus accumbens das entscheidende neurochemische Korrelat von Sucht ist.“ Die Bedeutung der Befunde der Innsbrucker Wissenschaftler wird auch dadurch unterstrichen, dass sie von einer der wichtigsten neurowissenschaftlichen Zeitschriften, dem „Journal of Neuroscience“, zur Veröffentlichung angenommen wurden. Diese Anerkennung wurde österreichischen Forscherteams in den letzten 40 Jahren bisher nur 17 Mal zuteil.

Einfache Idee und hochmoderne Technologie

Die Attraktivität des Suchtmittels wurde von der internationalen Forschergruppe – der Erstautor der Publikation ist Dr. Jose A. Crespo, ein spanischer Postdoc an der Abteilung für Neurochemie – auf elegant einfache Weise quantifiziert: Gemessen wurde die Geschwindigkeit, mit der die als Versuchstiere verwendeten Ratten auf eine Kammer zuliefen, in der sie eine intravenöse Drogeninjektion erhielten. Die Analyse der dabei freigesetzten Neurotransmitter erfolgte mittels Tandem-Massenspektrometrie, einer an der Abteilung für Neurochemie für die Patientenversorgung routinemäßig eingesetzten, hochmodernen Technologie.

Neue Wege für die Therapie

Welche therapeutischen Konsequenzen ergeben sich aus den Entdeckungen der Innsbrucker Arbeitsgruppe? Gerald Zernig-Grubinger: „Wesentliches Ziel in der Therapie von Abhängigkeitserkrankungen ist es, das ‚Suchtgedächtnis’ zu modifizieren, also die Erinnerung an die positiven und negativen Konsequenzen des Drogenkonsums zu verändern. Das wird bisher am effizientesten mit Langzeitpsychotherapie erreicht. Unsere Ergebnisse helfen mit, durch Identifizierung der betroffenen Hirnareale und Neurotransmittersysteme gezielt Pharmaka zu entwickeln, die die psychotherapeutische Arbeit unterstützen können. Azetylcholin war immer schon der Fokus beeindruckender Forschungsleistungen in der Alzheimer-Therapie. Möglicherweise können nun auch Substanzabhängige von den Früchten dieser Medikamentenentwicklung profitieren.“