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Kampf dem Krebs

Im Rahmen der alle zwei Jahre stattfindenden Tagung der EACR (European Association for Cancer Research) in Innsbruck trafen sich an den vergangenen drei Tagen über 1.000 Wissenschaftler um in mehr als 500 Beiträgen die neuesten Erkenntnisse der experimentellen Krebsforschung zu diskutieren. Im Rahmen eines Pressegesprächs gaben verschiedene Forscher Einblicke in ihre Arbeit.

Prof. Hans Grunicke, Rektor der Medizinischen Universität und Präsident der EACR betonte, dass die Krebsforschung derzeit sehr stark daran arbeite, die Ergebnisse des Human-Genom-Projects, die Entschlüsselung des menschlichen Erbmaterials, zu analysieren und für die Bekämpfung von Krebserkrankungen einzusetzen. „Es geht darum aufgrund der Genanalyse der Patienten bereits im Vorfeld zu klären, welche Art der Behandlung ansprechen kann, wo die Risiken liegen und diese zu minimieren oder ganz auszuschalten. Darüber hinaus sollen Therapien künftig individuell auf den Patienten abgestimmt werden und es wird wichtig sein die Resistenz der Tumorzellen gegenüber Strahlen- oder Chemotherapie zu überwinden“, so Grunicke.

Den Tumorzellen wieder das Sterben lehren

Auf diesem Gebiet ist Prof. Peter H. Krammer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg besonders erfolgreich. „Es hat in der Krebsforschung in den vergangenen Jahre große Fortschritte gegeben. Im Prinzip verstehen wir heute sehr gut, wie das in einer Krebszelle funktioniert. Ein großes Problem ist, dass in Tumoren die Balance zwischen Entstehen und Sterben von Zellen gestört ist. Es kommt daher zu ungebremstem Wachstum. Die Apoptose, der vorprogrammierte ‚Selbstmord‘ der Zellen ist in Tumoren gestört. Es ist nun das Ziel der Therapie, die Sterbefähigkeit der Zellen wieder herzustellen, indem man das ‚Sterbeprogramm‘ wieder einschaltet und den Zelltod auch noch anregt, ohne den gesunden Zellen zu schaden.“ Dabei ist es nicht ganz ungefährlich die Apoptose zu stimulieren, da ja alle Zellen dieses „Selbstmordprogramm“ beinhalten und es natürlich darum geht nur die Tumorzellen zu vernichten. Seine Arbeit verglich Krammer mit dem Spiel gegen einen Schachcomputer, da die Tumorzellen in der Lage seien zu lernen und immer wieder Gegenstrategien zu entwickeln. Dazu kommt, dass es über 300 Tumorarten gibt, von denen jede eigene Resistenzen entwickeln kann. Es hilft also nur die individuelle Suche nach dem geeigneten Mittel.

Stammzellen als wertvolles Forschungsobjekt

Eine wichtige Möglichkeit die Tumorbiologie zu verstehen ist die Arbeit mit menschlichen Stammzellen, da diese sehr viele Gemeinsamkeiten mit Tumorzellen aufweisen, insbesondere ihre Fähigkeit sich örtlichen Gegebenheiten optimal anzupassen. Experte in diesem Bereich ist Prof. Nissim Benvenisty von der Hebrew University in Jerusalem, der in seinem Labor sehr viel mit embryonalen Stammzellen arbeitet. In diesem Zusammenhang betonte Prof. Krammer, dass die derzeitige Diskussion im Zusammenhang mit Stammzellen weder der Forschung noch den Patienten nütze.

Vorbeugen besser als Heilen

Die Bildung von Krebs kann als kontinuierliche Anhäufung von genetischen oder biochemischen Zellschäden angesehen werden, die über Jahre dann zu einem Tumor führen Die Krebs-Chemoprävention untersucht pharmakologisch aktive Medikamente, Pflanzeninhaltsstoffe oder Bestandteile von Nahrungsmitteln, die die Krebsentstehung verhindern, verzögern oder sogar rückgängig machen können. Zur Identifizierung und Beurteilung neuer Wirkstoffe hat Prof. Helmut Bartsch vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg gemeinsam mit seinem Team verschiedene Testmodelle als Markersystem für chemopräventive Aktivitäten etabliert und mehrere Tausend Substanzen untersucht. Auf diese Weise können mit relativ geringen Kosten einfach und schnell Ergebnisse ermittelt werden. In einem von der Wissenschaftsförderung der deutschen Brauwirtschaft unterstützten Projekt wurde ein Hopfenextrakt analysiert und Xanthohumol als aktivste Verbindung identifiziert. Der Wirkstoff kann in alle Phasen der Krebsentstehung eingreifen. Es gelang der Nachweis, dass der Hopfenbestandteil freie Radikale neutralisiert, die Tumorbildung hemmt und eine entzündungshemmende Wirkung hat. Auch die Hemmung der Angiogenese – das ist die Bildung neuer Blutgefäße zur Tumorversorgung aus dem bestehenden Gefäßsystem – bietet neue Angriffsmöglichkeiten im Bereich der Krebstherapie. In den letzten Jahren wurde immer deutlicher, dass bestimmte chemopräventive Wirkstoffe anti-angiogene Wirkung haben und das Kapillarwachstum reduzieren können. Bis heute wurden viele chemopräventive Wirkstoffe identifiziert, die durch anti-oxidative, anti-inflammatorische und anti-hormonale Mechanismen oder durch Beeinflussung des Stoffwechsels wirken. Neben der Identifizierung der Stoffe ist es wichtig diese Wirkungsweisen genau zu verstehen. Der Fortschritt in der Genom- und der Post-Genomforschung liefert wichtige neue Werkzeuge und Wirkstoffe, die hinsichtlich ihres Einsatzes bei der Krebsprävention und –therapie weiter untersucht werden müssen. Prof. Bartsch zeigte sich zuversichtlich, dass diese Methoden für die Krebsvorsorge künftig auch in Europa mehr Beachtung finden werden: „In Europa sind wir hier noch ein wenig im Hintertreffen, ganz im Gegenteil zu den USA, wo die Erforschung von ‚Medikamenten’ aus Pflanzeninhaltsstoffen und Nahrungsmittel bereits sehr weit fortgeschritten ist.“ Als Beispiel dafür berichtete Bartsch von einer Studie aus den USA, wo dort lebende Chinesinnen untersucht wurden und ein positiver Effekt auf das Brustkrebsrisiko durch den regelmäßigen Genuss von Grünem Tee nachgewiesen werden konnte.

Neue Therapieansätze

Prof. Helmut Klocker, Leiter des Urologielabors an der Universitätsklinik für Urologie in Innsbruck konnte neue Ansätze bei der Behandlung von Prostatakrebs vorstellen. Ein Schwerpunkt der Forschungsarbeit im Urologielabor der Innsbrucker Universitätsklinik für Urologie sind die molekularen Veränderungen in Prostatatumoren, die mit der Entwicklung der Therapieresistenz im Zusammenhang stehen. Aufbauend auf dieses Wissen werden neue Behandlungskonzepte erarbeitet und getestet.

In den Industrieländern wird etwa jeder zehnte Mann im Laufe seines Lebens mit der Diagnose Prostatakrebs konfrontiert. Die Therapie von fortgeschrittenen, inoperablen Tumoren durch Hormonentzug zeigt nur eine vorübergehende Wirkung, danach schreitet die Krebserkrankung durch Resistenzbildung weiter fort. Durch unsere Arbeiten in den letzten Jahren konnten wir einen wichtigen Beitrag zu Aufklärung der molekularen Veränderungen, die zur Therapieresistenz führen, leisten. Im Zentrum steht dabei der Androgenrezeptor, ein Eiweißstoff, der die Wirkung der männlichen Sexualhormone vermittelt. Seine Inhibition ist das Ziel der Therapie. Während der Resistenzbildung wird die Funktion des Androgenrezeptors in den Tumorzellen so verändert und verstärkt, dass er auch unter den Bedingungen der Hormonentzugstherapie noch als Wachstum stimulierendes Signalmolekül

aktiv sein kann. Basierend auf diesen Erkenntnissen haben wir begonnen einen neuen Therapieansatz zu entwickeln, der auf einer Eliminierung des Androgenrezeptors in den Tumorzellen beruht. Durch den Einsatz von so genannten Antisensemolekülen konnte die Produktion des Androgenrezeptors unterbunden werden. Es wurde bereits gezeigt, dass es damit möglich ist, das Wachstum der Tumorzellen zu verhindern und die Aktivierung des Zelltodprogrammes zu stimulieren. Derzeit wird dieser Therapieansatz weiterentwickelt und in diesem Zusammenhang werden auch effizientere Verfahren erarbeitet, um die Antisensemoleküle gezielt in die Tumorzellen zu bringen.

Die EACR und die Wissenschaftler zeigten sich sehr zufrieden über den Kongress und dessen extrem hohe Qualität. „Alles was Rang und Namen hat in der experimentellen Krebsforschung war dieser Tage in Innsbruck “, so Prof. Grunicke, der als Gastgeber natürlich froh ist über das positive Feedback. In zwei Jahren wird die EACR wieder zu einem Kongress einladen, diesmal dann in Budapest.