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Blutarmut bei chronischen Erkrankungen

Anämie wird auch heute noch häufig falsch diagnostiziert und in der Folge nicht richtig behandelt. Prof. Günter Weiss von der Uniklinik für Innere Medizin hat für die weltweit bedeutendste medizinische Fachzeitschrift, das New England Journal of Medicine, das Wissen über die Blutarmut bei chronischen Erkrankungen zusammengefasst und neue Strategien für die Diagnose und Behandlung erarbeitet.

Grund für Blutarmut sind in 80% der Fälle Blutungen bzw. ein Eisenmangel im Körper. Zwei Milliarden Menschen – also jeder dritte Erdenbürger – sind davon betroffen. Auch Patienten mit chronischen Krankheiten wie Krebs, Infektionen oder Autoimmunerkrankungen weisen oft einen relativen Eisenmangel und damit in weiterer Folge eine Blutarmut auf. Dies bedeutet aber nicht immer, dass im Körper zu wenig Eisen vorhanden ist. Vielmehr versucht der Organismus gerade durch die Ablagerung von Eisen in den so genannten Fresszellen des Immunsystems (Makrophagen), den Eisengehalt im Blut zu senken. Damit entzieht er den Krankheitserregern die Lebensgrundlage, da Tumorzellen und Mikroorganismen Eisen als wichtigen Wachstumsfaktor benötigen. Da Eisen – wie von der Innsbrucker Arbeitsgruppe eingehend erforscht – auch massive Effekte auf das Immunsystem ausübt, stellt der Entzug von Eisen bei Infektionen und Tumorerkrankungen eine geniale Abwehrstrategie des Körpers zum Aushungern von Pathogenen dar, was in weiterer Folge auch über komplexe immunologische Mechanismen zur Blutarmut bei chronischen Erkrankungen führt.

Individuelle Wahl der Therapie entscheidend

Allein durch die Bestimmung von Eisen kann zwischen diesen zwei häufigsten Formen der Blutarmut (Eisenmangelanämie durch Blutungen und Anämie chronischer Erkrankungen) nicht unterschieden werden. Die vorliegende Arbeit gibt hierbei Anleitungen zur exakten und möglichst spezifischen diagnostischen Abklärung. „Es ist essentiell, die Ursachen für eine Blutarmut genau zu analysieren und die zugrundeliegende Erkrankung zu erkennen“, sagt Prof. Günter Weiss. „Eine unreflektierte Behandlung des Eisenmangels ohne definitive Diagnose kann negative Folgen für den Krankheitsverlauf und die Lebenserwartung der Patienten haben.“ Da eine Anämie generell nicht nur das Wohlbefinden des Patienten sondern auch die Funktion des Herz-Kreislaufsystems und der Nieren und damit die Lebenserwartung negativ beeinflusst, ist eine sorgfältige und individuell optimierte Auswahl der therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung der Blutarmut bei chronischen Erkrankungen entscheidend.

Vor- und Nachteile therapeutischer Maßnahmen

Seit 15 Jahren arbeitet Prof. Weiss über die Ursachen der Blutarmut bei chronischen Erkrankungen, einige wichtige Mechanismen im Eisenstoffwechsel des Körpers konnte er mit seinem Team bereits aufklären. Nun hat er gemeinsam mit Prof. Lawrence T. Goodnough von der Universität Stanford, USA, die zugrunde liegenden Mechanismen von Blutarmut bei chronischen Erkrankungen, die diagnostischen Kriterien und Möglichkeiten und die therapeutischen Maßnahmen kritisch evaluiert. Die Medizin müsse bei der Beurteilung der Blutarmut alle relevanten Faktoren berücksichtigen, um Fehldiagnosen zu vermeiden. In der Behandlung gelte es die Vor- und Nachteile genau abzuwägen. Während eine Blutarmut die Lebenserwartung generell senke, hat der einer Anämie chronischer Erkrankungen zugrunde liegende Entzug von Eisen auch positive Effekte auf die körpereigene Immunabwehr gegenüber Tumorzellen und Mikroorganismen. Weiss und Goodnough haben für die Diagnose und die vorhandenen Therapieformen klare Vorgaben zur optimalen Behandlung dieser extrem häufigen aber mitunter noch recht schlecht verstandenen Blutarmut in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Erkrankung erarbeitet.

Eisenstoffwechsel im Blickpunkt

Neben der Blutarmut befasst sich Prof. Weiss mit jenen Mechanismen, mit denen sich der Körper vor dem Eindringen und der Ausbreitung von Mikroorganismen (Bakterien, Viren) oder Tumorzellen schützt. Er untersucht dabei, die Funktions- und Wirkungsweise von natürlichen Resistenzgenen in Immunfresszellen sowie die Rolle von Eisen in der Regulation der Immunabwehr bei Infektionen und Krebs. Ein weiterer Schwerpunkt ist die genetische Hämochromatose, die wohl häufigste Erbkrankheit in unserer Region. Bei dieser Erkrankung kommt es zu einer ungezügelten Aufnahme von Eisen über den Darm. Dieses lagert sich in der Leber, Bauchspeicheldrüse oder im Herzen ab und führt zur fortschreitenden Zerstörung der Organe. Prof. Günter Weiss ist Oberarzt an der Klinischen Abteilung für Allgemeine Innere Medizin und Leiter des Bereichs Klinische Infektiologie und Immunologie. Seine Forschungen werden vom Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), dem Jubiläumsfonds der Nationalbank, dem Medizinischen Forschungsfonds Tirol sowie den National Institutes of Health (NIH) unterstützt.